Ein bißchen ärgert es mich, wenn ich Leute, die bereits eine künstliche Hüfte haben, erzählen höre, wie einfach das doch alles war. Unisono heißt es dann stets: „Ich konnte danach sofort wieder laufen“ und „Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich es schon viel früher machen lassen“. Doch so einfach, wie es oft dargestellt wird, ist es in der Realität ganz und gar nicht mit dem Gelenkersatz. Endoprothese ist übrigens der Fachausdruck. Das habe ich am eigenen Bein erfahren.
Aber wahrscheinlich ist dieses Vergessen ein ähnliches Phänomen wie nach einer Geburt. Sobald die Mutter ihr Baby in den Armen hält, sind alle Schmerzen und Strapazen Vergangenheit. In Wahrheit ist die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks alles andere als ein Spaziergang. Es ist ein langer Weg.
Dabei meine ich nicht die vier Stunden lähmende Wartezeit, bis es endlich so weit war. Ich saß seit dem frühen Morgen von oben bis unten entkeimt, in OP-Hemd, Bademantel und blauen Überziehern an den bloßen Füßen frierend zusammen mit mehreren Leidensgenossen in einem Warteraum der Klinik vor dem Fernseher. Jeder von uns musste abwarten bis eine Schwester kam und ihn im Rollstuhl zur Operation rollte. Ich spreche auch nicht von dem Eingriff als solchem. Die Endoprothese war in 40 Minuten in meinen zuvor ausgefrästen Oberschenkelknochen gehämmert, die nur 6 Zentimeter lange Wunde an der Aussenseite wieder verschlossen – innen in mehreren Schichten genäht, außen geklammert.
Neue Hüfte: Ich konnte mein Bein nicht heben
Viel schlimmer war das, was danach kam. Als ich drei Stunden nach der Narkose in einem sehr schönen Einzelzimmer aufwachte, sondierte ich erst einmal meinen Körper und versuchte, das Bein mit der operierten Hüfte zu heben. Es ging nicht. Als wären alle Muskeln, die ich mir jahrelang durch Sport antrainiert hatte, plötzlich aus dem gesamten Bein verschwunden. Ich konnte noch nicht mal den Fuß im Bett aufstellen. Die vorherigen Arthrose-Schmerzen in der Hüfte waren zwar weg, wurden aber von starken Wund- und Muskelschmerz abgelöst. Alle paar Stunden bekam ich entsprechende Medikamente, zwischendurch – vor allem auch nachts – eine schmerzstillende Spritze.
So lag ich die ersten Tage nach dem Eingriff meist wie ein gestrandeter Käfer auf dem Rücken in meinem Klinik-Bett, konnte mich nach keiner Seite drehen. Zum Aufstehen benötigte ich in die Hilfe einer Krankenschwester. Stehen konnte ich auf dem operierten Bein nur mit meinen gelben Krücken als Stütze. Ich lernte, dass ich zum Aufstehen zuerst an die Bettkante robben muss, dann aufrecht hinsetzen, das linke Bein von mir strecken und auf dem rechten Fuß und den Gehhilfen in eine stehende Position kommen.… weiterlesen
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.
Dieses Bild werde ich nie vergessen, wie ich als Fünfjährige am Gitterbettchen meiner jüngeren Schwester stand. Sie tat mir so unendlich leid, wenn sie aus Verzweiflung schrie, weil sie nicht strampeln konnte. Ich verstand nicht, warum die Erwachsenen so etwas zuließen. Die Kleine lag in einer mit grauem Filz überzogenen Gipsschale. Die Beinchen waren nach außen gedreht und mit Ledergurten fixiert. Meine kleine Schwester hatte eine angeborene Hüftdysplasie, d.h. die Gelenkpfanne ist zu klein bzw. zu wenig tief, so dass der Hüftkopf des Oberschenkels nicht fest darin liegt.
Dass ich dieses Hüft-Problem, das vererbbar ist und vor allem die weiblichen Nachkommen trifft, auch mit auf die Welt bekommen habe, konnte ich damals noch nicht ahnen. Erst sehr viel später machte sich die Dysplasie bei mir bemerkbar. Warum sie so lange unentdeckt blieb? Ich habe mein ganzes Leben lang viel und extrem Sport betrieben. Deshalb war die Muskulatur so stark ausgebildet, dass sie den Geburtsfehler über Jahrzehnte hinweg ausgleichen konnte.
Etliche falsche Diagnosen
Irgendwann hatte ich ab und zu Schmerzen in der Leistengegend. Physiotherapeuten behandelten den Trochanter. Das ist ein Muskel, der von der Innenseite des Kreuzbeines nach aussen am seitlichen Knochenvorsprung des Femurs (Oberschenkelknochen) andockt. Ein Orthopäde wiederum tippte auf die Lendenwirbelsäule und verödete mir – äußerst schmerzhaft, weil nur ohne Betäubung möglich – Nerven im unteren Rücken. Wenn die Schmerzen im Bein wieder stärker wurden, rief ich ihn an und ließ mich des öfteren für einen Flug – ich musste beruflich viel reisen – fit spritzen.
Als der Schmerz blieb
Es ist etwa drei Jahre, als die Schmerzen immer stärker wurden. Ich ständig Schmerzmittel brauchte. Ich suchte einen bekannten Orthopädie-Professor in München auf, den mir eine Freundin empfahl. Das MRT war eindeutig. Dysplasie beider Hüftgelenke, links schlimmer als rechts. Er meinte, dass die Operation und ein künstliches Hüftgelenk irgendwann unausweichlich seien. Für mich eine grauenhafte Vorstellung, deshalb beschlossen wir, den Eingriff hinauszuzögern und den Schmerz erstmal konventionell zu bekämpfen. Mit einer Eigenblut-Injektionen. Längst ein Standardverfahren.
Dabei wird Venen-Blut entnommen und daraus das PRP (Platelet Rich Plasma), wie es auch in der ästhetischen Medizin für das so genannte Vampir-Lifting verwendet wird, gewonnen. Mit Hyaluronsäure versetzt werden die im Blutplasma enthaltenen Wachstumsfaktoren direkt ins Hüftgelenk eingespritzt, um die Reibung von Knochen auf Knochen zu vermindern. Es funktionierte. Nach sechs Spritzen war ich schmerzfrei. Ich war überglücklich.
Knapp drei Jahre ging alles gut. Ich konnte einwandfrei laufen, Sport machen. Als mich eine Bekannt, selbst Ärztin, jedoch Anfang dieses Jahres beim gemeinsamen Hundespaziergang fragte, ob ich Probleme mit der Hüfte hätte, wurde mir klar, dass sich mein Gang verändert hatte.… weiterlesen
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