Eine Seifen-Oper in vier Akten
Eigentlich wollte ich diese zwei Wörter „Seifen-Oper“ nie wieder über einen Artikel schreiben. Kaum ein Begriff wird gefühlt häufiger über Seifen-Artikel in Magazinen geschrieben. Okay, auch ich hab’s schon getan, auch in der englischen Adaption. Doch jetzt muss es nochmal sein: Denn selten liegen bei mir Liebe und Hass bei einem Kosmetikprodukt so nah beieinander, wie bei Seife. Deshalb hier: Meine Seifen-Oper in vier Aufzügen
Erster Aufzug
Nie werde ich den Duft vergessen, der sich beim Öffnen des Wäscheschranks meiner Oma verbreitete: Immer, wenn ich ihr als kleines Mädchen beim Bettbeziehen helfen durfte, roch es nicht nur nach Waschmittel und Stärke – da war noch etwas anderes, Magisches … das für mich noch viel aufregender war. Irgendwann kam ich dahinter, dass der Duft, der mich so in Bann zog, von einem Stück Seife stammte. Und es war nicht nur der Duft, der mich faszinierte. Die eine, „Bois D’Orange“ von Roger & Gallet, war in hübsches Seidenpapier eingewickelt und trug einen Papiersiegelring. Eine andere, das Meisterstück von Yardley, hatte lila Lavendelblüten auf der Packung. Auch die im schwarz-roten Seidenpapier mit der eleganten, fächerschwingenden Tänzerin faszinierte mich nachhaltig. Wer mag sie gewesen sein? Später fand ich heraus, dass die Tänzerin auf der „Jabón Maja“ Tortola Valencia hieß und Muse verschiedener Maler und von Esteve Monegal, dem Gründer des spanischen Dufthauses Myrurgia, war. Mit dem ersten seifenähnlichen Gebräu aus Pottasche, Tannenzapfen sowie tierischen und pflanzlichen Fetten, das die Sumerer von 6000 Jahren kochten, hatte das wahrlich nichts mehr zu tun. Übrigens: Erst im Mittelalter verfeinerte man in Frankreich ein Seifengemisch aus Meeresalgenasche und Olivenöl mit Duftstoffen und hielt damit Einzug in die europäischen Höfe. Ausgerechnet der Ausbruch der Pest beendete den ersten Hype, da man fürchtete, dass sie den Körper durchlässig und anfällig für Krankheiten machte. Wenn die gewusst hätten! Erst im 19. Jahrhundert änderte sich die Einstellung wieder, die Seife avancierte auch durch neue Herstellungsverfahren zum Luxusartikel. Einige davon wurden nicht nur Kulturgut, sondern Kultstücke. Wie die besagte Yardley, die Roger & Gallet oder die Lux, für die seit den 30er Jahren Stars von Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Romy Schneider oder Senta Berger ihr Gesicht hinhielten. Oder die grün-gelb gestreifte Fa, die in den Siebzigern mit der „wilden Frische der Limonen“ Seifen, die Geschichte schrieben oder erzählten.
Zweiter Aufzug
Doch zurück zu meiner Seifen-Geschichte bzw. Geschichten. Nicht nur die Oma, auch mein Vater trugen zur frühkindlichen Prägung in Sachen Seife bei. Beruflich viel unterwegs in der ganzen Welt, brachte er mir von jeder Reise, von jedem Zwischenstopp und aus jedem Vanity Kit im Flieger, eine Seife mit. Ein duftendes Stückchen große weite Welt. Und ich konnte es immer kaum erwarten, nach seiner Rückkehr mit den bunten Hotelseifen und seinen tollen Erzählungen in die Welt da draußen einzutauchen: Von Genf bis Las Vegas, von Rio bis Tokyo – alles wurde plastisch in der Zeit, die noch nicht digital war. Und noch eins zeigten mir seine Seifen-Souvenirs: Wo immer er war, er dachte an mich. Einige habe bis heute in einer kleinen Kiste aufbewahrt – und: Sie duften immer noch! Sicher hat er damit nicht nur meine Fantasie beflügelt, sondern auch meine Leidenschaft für Düfte, ferne Länder und tolle Geschichten geweckt. Doch wie es sich für eine anständige Oper gehört, ist meine Beziehung zu Seife nicht ohne Drama.
Dritter Aufzug
„Damit die Wäsche immer gut duftet“, antwortete meine Oma auf die Frage, warum die denn nicht im Bad, sondern im Schrank liegt. Ob es sich dabei um das gleiche Ding handelt, musste ich natürlich testen. Sehr zum Unmut meiner Großmutter – schließlich konnte sie die Seife, nachdem ich sie aus dem Schrank gemopst und aufgeweicht hatte, nicht mehr zwischen die Laken legen. Sie sah einfach nicht mehr gut aus. Denn Wasser ist der Gegenspieler, der unweigerlich zum Untergang der Seife führt – kaum haben die beiden Kontakt, ist es um die Schöne geschehen. Okay, kurzfristig verführt sie noch mit cremigem Schaum – doch dann beginnt das Drama. Zurück in der Seifenschale verkommt sie zum schnöden Waschstück. Da hilft auch nicht, wenn man sie kurz nochmal abwäscht, damit der Schaum nicht in Form von hässlichen Bläschen auf ihr trocknet. Denn auch wenn oben die Optik halbwegs gerettet ist, auf der Unterseite wird’s schwierig bzw. schmierig: Weiche Matschepampe, farbige Seifenlauge sind bald unausweichlich. Schnell ein Kleenex, tupfen? Macht’s nur schlimmer. Dann pappt auch noch der feine Zellstoff an der Seife, den man mühsam abkratzen muss – was sie auch nicht hübscher macht. Spätestens nach einer Woche kann man das matschig-klebrige Etwas zumindest in der Gästetoilette nicht mehr unter dem Thema Hygiene anbieten. Wenn ich sie alleine benutze, kriegt sie noch Gnadenfrist, schließlich weiß ich, dass sie noch performt … doch zunehmend fasse auch ich sie mit spitzen Fingern an. Ein Produktzyklus, dem übrigens auch sehr hochwertige Seifen unterworfen sind – je cremiger und pflegender, desto matsch. Und schweren Herzen steht dann die Trennung im Raum.
Vierter Aufzug
Kann es da noch ein Happy End geben? Ja. Ich liebe Seifen trotzdem. Denn sowohl optisch als auch haptisch kann so eine Waschlotion da nicht mit. Auch ist die Seife nachhaltiger: Wenn man ihr die Chance gibt, löst sie sich in Nichts auf und das bisschen Papier recycelt man leichter als einen noch so umweltfreundlichen Kunststoffbehälter. Und last but not least: Unterschätze niemals frühkindliche Prägung! Deshalb siegt am Schluss die Liebe.
Zur Seife. Sie landet bei mir immer wieder in der Schale – manchmal auch nur, weil sie halt so schön ins Bad passt. Ich habe sie auch im Wäscheschrank, wo sie wacker gegen die Aprilfrische des Waschmittels besteht. Große Freude also, wenn ein Dufthaus nicht nur ein Parfum, sondern auch ein überschäumendes Stück Luxus auf den Weg bringt. Und: Ja, auch ich nehme sie aus dem Hotelbad mit. #SorryNotSorry. Allerdings benutze ich diese auch zu Hause und wie damals, mit meinem Vater, nehmen sie mich im wahrsten Wortsinn bei der Hand und erzählen mir von den Orten, an denen ich war. Finde ich schön, gerade jetzt.
CultureandCream-Autorin aus München
Seit vielen Jahren schreibe ich als Beauty- und Lifestyle-Autorin für Magazine wie Vogue oder Glamour. Was mich immer wieder treibt: Nicht nur das Produkt oder der Trend, sondern die Menschen und die Story dahinter – und was es mit uns macht. Außerdem führt mich mein Job oft an die schönsten Plätze dieser Welt. Auch privat findet man mich gern in der einen oder anderen Wellness-Location, Recherche nicht ausgeschlossen. Culture and Cream also. Immer im Gepäck: Duft, Sonnenschutz und Lippenstift. Farbe? Rot. Was sonst