Postnatale Beschwerden – die Rektusdiastase

Die Rektusdiastase ist eine der Symptome, die postnatale Beschwerden verursachen kann. Sie wird oft übersehen. In diesem Gastbeitrag berichtet Expertin Carolin Tengelmann darüber, was möglicherweise die Ursache hinter postnatalen Symptomen ist und wie sie Müttern hilft, ihre Lebensqualität wieder zu verbessern.

Als Rektusdiastase-Expertin verfolgt Carolin Tengelmann einen ganzheitlichen Ansatz über Verhalten im Alltag, Haltungsschule, Muskelübungen und Ernährung. Damit hat sie nicht nur ihre eigene Diastase geschlossen, sondern auch vielen Frauen und ja auch Männern wieder zu mehr Lebensqualität und Lebensfreude verholfen. Denn die Diastase ist ein Thema, das nicht nur junge Mütter angeht.

Nach der Geburt deines Kindes wird dein Leben als Mutter völlig neu geordnet. Freude und Erschöpfung wechseln sich ständig ab. Doch manchmal gesellen sich zu den emotionalen Herausforderungen auch körperliche Beschwerden, die das Muttersein belasten. Wochen, Monate und sogar Jahre nach der Geburt kämpfen viele Mütter mit einer Vielzahl von Symptomen, wie Rückenschmerzen, Beckenboden-Beschwerden, Magen-Darm-Problemen, Haltungsproblemen, Blähbauch, Periodenbeschwerden und Belastungsinkontinenz.

Rektusdiastase – das oft übersehene Problem 


Du hast vielleicht schon bemerkt, dass dein Bauch nach der Geburt noch nicht so aussieht, wie du es erwartet hast. Das könnte an einer Rektusdiastase liegen – einer Veränderung im Körper, die oft übersehen wird, aber große Auswirkungen haben kann. Sie betrifft das Gewebe, das deine gerade Bauchmuskulatur mittig verbindet. Die Linea Alba, so heißt die Sehnenplatte, an der die gerade und schräge Bauchmuskulatur aufgehängt ist, ist bei einer vorliegenden Rektusdiastase so überdehnt und geschwächt, dass die Bauchwand dem Druck der Organe schlechter standhalten kann. So entsteht die schwangere Optik.

Die verschiedenen Ursachen



Die bekannteste Ursache für eine Rektusdiastase ist die Schwangerschaft, bei der der wachsende Bauch die Bauchwand dehnt, um Platz für das Baby zu schaffen. Aber auch Gewichtszunahme, Bauchoperationen, sowie bestimmte Übungen wie Crunches, Sit-Ups und einige Pilates- oder Yoga-Übungen können dazu beitragen, dass eine Rektusdiastase entsteht, indem sie das Bindegewebe der Linea Alba übermäßig strapazieren und dehnen. Vielen Frauen sind sich dessen nicht bewusst und wissen auch nicht, dass sie die Ursache ihrer Beschwerden sein kann. Unbehandelt kann es weitreichende Auswirkungen auf den ganzen Körper haben.

Auswirkungen einer Diastase

Diese können vielfältig sein und dein Leben stark beeinflussen. Hier sind einige der möglichen Folgen:

Beckenbodenprobleme und Belastungsinkontinenz:  
Wenn der Bauchraum nicht mehr ausreichend stabilisiert ist, kann der Beckenboden belastet werden, was zu Problemen wie Belastungsinkontinenz führt. Das bedeutet, dass du möglicherweise bei Aktivitäten wie Niesen, Hüpfen oder Joggen ungewollt Urin verlierst. Auch Schmerzen beim Sex können ihren Ursprung in der Rektusdiastase haben.

Rückenschmerzen:


Die geschwächte Bauchwand kann die Rückenmuskulatur überlasten, was zu Schmerzen und Krämpfen im Rücken führen kann. Dein Rücken muss mehr arbeiten, um deinen Körper zu stabilisieren, was zu anhaltenden Beschwerden führen kann.

Blähbauch und veränderter Bauchnabel:


Viele Frauen mit Rektusdiastase leiden unter einem Blähbauch, besonders abends oder nach dem Essen. In Extremfällen reicht schon ein Glas Wasser am Morgen, um den Bauch vorzuwölben. Der Bauchnabel kann sich ebenfalls verändern, da er in der Linea Alba verankert ist. Der erhöhte Zug auf das Gewebe lässt ihn oft größer wirken oder sogar nach vorne fallen (Outie).

Haltungsprobleme:


Die geschwächte Bauchwand kann deine Haltung beeinträchtigen und zu einem Hohlkreuz oder Rundrücken führen. Die Instabilität in der Körpermitte kann deine Wirbelsäule bis hin zum Bandscheibenvorfall belasten.

Hernien (Nabelbruch):


Durch die Überdehnung des Gewebes besteht das Risiko von Hernien, wie Nabel- oder Bauchwandbruch. Dabei entsteht ein Riss im Bindegewebe, durch den Gewebe oder Organe nach außen treten können, was oft zu sichtbaren Schwellungen und Schmerzen führt. Diese Herausforderungen können deinen Alltag stark beeinträchtigen und oft sind sich Frauen nicht bewusst, dass diese Symptome durch eine Rektusdiastase verursacht werden können. Es ist wichtig, frühzeitig Unterstützung und Behandlung zu suchen, um deine Lebensqualität zu verbessern und diese Probleme anzugehen.

Der Weg zur Besserung

Ärzten ist oft nur die Operation als Lösung bekannt. Doch du hast auch die Möglichkeit, durch konsequentes Verhalten im Alltag und das passende Training die Diastase zu verbessern und deine Schmerzen und Einschränkungen zu lindern. Es geht nicht nur darum, den optischen Effekt zu minimieren, wie manchmal suggeriert wird. Oft wird die Diastase nur als kosmetisches Problem betrachtet und nicht als medizinisch relevant.

Viele Frauen finden sich häufig in einem Teufelskreis von Symptom-Behandlungen wieder, ohne zu wissen, dass ihre Rückenschmerzen vielleicht von einer Rektusdiastase herrühren könnten. Wenn du erst einmal verstehst, wie dein Körper aufgebaut ist und dass dein geschwächter Bauch deinen Rücken und möglicherweise auch deinen Beckenboden überlastet hat, dann geht es oft schnell voran: Dein Bauch stabilisiert sich und die überlasteten Bereiche, die die eigentlichen Schmerzen verursacht haben, entspannen sich. Viele Frauen erleben danach eine Zeit mit weniger oder keinen Schmerzen mehr, und sogar Probleme wie verstärkte Blutungen in der Periode können sich normalisieren.

Gezielte Übungen

Die ersten großen Fortschritte sind meistens schon nach sechs bis acht Wochen Therapie sicht- und vor allem spürbar. Aber das Bindegewebe benötigt fast ein Jahr, um wieder eine starke und belastbare Sehnenplatte zu werden, sodass sie sich nach Belastung wieder zusammenziehen kann. Deshalb ist Geduld gefragt und die Integration in den eigenen Alltag. Es ist entscheidend, dass du die Übungen regelmäßig durchführst, um eine effektive Rehabilitation zu gewährleisten.

Die Behandlung

Sie erfordert in der Regel ein gezieltes Übungsprogramm, das darauf abzielt, schrittweise deine Bauchmitte zu stärken und die Diastase zu reduzieren. Wichtig ist hierbei, vorerst die gerade und seitliche Bauchmuskulatur nicht bis wenig zu beanspruchen, um den Zug an der Sehne zu verringern. Daher sind unter anderem Pilates und Yoga anfänglich nicht geeignet. Ein ganzheitlicher Ansatz kann ebenfalls hilfreich sein, indem nicht nur die Tiefenmuskulatur, sondern auch dein Beckenboden und die gesamte Körperhaltung berücksichtigt werden.



Prävention und Aufklärung

Ein weiteres wichtiges Element ist die Vorsorge. Viele Frauen könnten von vornherein vermeiden, dass sich eine Rektusdiastase nach der Geburt zu einem großen Problem entwickelt, wenn sie während der Schwangerschaft und nach der Geburt die richtigen Übungen machen und auf ihren Körper achten. Aufklärung und präventive Maßnahmen sollten ein integraler Bestandteil der modernen Schwangerschaftsbetreuung sein.

Ein wichtiger Tipp für die vielen Frauen, die ihre Schwangerschaften und Geburten längst hinter sich haben: Es ist nie zu spät, um an einer Diastase zu arbeiten. Der Körper weiß, was er tun muss, um das Gewebe zu regenerieren. Wenn du ihn dabei richtig unterstützt, werdet ihr gemeinsam erfolgreich sein.

Fazit

Die postnatalen Symptome, die dich betreffen können, sind oft herausfordernd. Doch das Wissen über die Rektusdiastase und ihre weitreichenden Auswirkungen ist ein wichtiger Schritt, um deine Lebensqualität zu verbessern. Mit der richtigen Diagnose, Behandlung und Aufklärung kannst du lernen, diese Herausforderung zu meistern und deine Gesundheit und dein Wohlbefinden nachhaltig zu verbessern. Carolin Tengelmanns Arbeit zeigt, dass viele postnatale Beschwerden nicht isoliert betrachtet werden sollten, sondern als Teil eines größeren Bildes, bei dem Übungen für die Tiefenmuskulatur eine zentrale Rolle spielen.

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Photos: Carolin-Tengelmann (4)