Warum fallen wir immer wieder auf falsche Propheten herein?
Falsche Propheten – denen sind wir alle schon irgendwann einmal auf den Leim gegangen. Ich auch. Sie begegnen uns überall und jederzeit im Alltag, in unterschiedlichen Situationen und in jedem Lebensbereich. Wir fallen auf sie und ihre Versprechungen herein. Und es passiert nicht nur den leichtgläubigen Menschen unter uns, dass wir ihnen Gehör schenken und – noch schlimmer – ihnen auch glauben wollen.
Falsche Propheten, kommen in unterschiedlichen Gewändern daher: seien es die Gummidrops, die angeblich die Pfunde purzeln lassen, die innovative Wunder Creme, die Falten ausradiert, das Wow Kleid, dass einen im Nu fünf Kilo schlanker erscheinen lässt oder der selbsternannte Glückscoach, der dich als einziger auf den Pfad des Glücks führen kann.
Wenn Reden Gold wert ist…
Auch Jesus hat seinen Anhängern gepredigt, aber for free. Er hat nicht einen Heller dafür genommen. Die heutigen Heilsprediger nennen sich Coach und lassen sich ihre Reden vergolden. Beispiel Anthony Robbins. Er ist Berater von Ex-Präsident Bill Clinton, coacht Mitglieder von zwei königlichen Familien, Parlaments-Abgeordnete, professionelle Athleten und Geschäftsführer der 500 größten Firmen in den USA. Für eine einstündige Rede verlangt er Honorare zwischen 300.000 und 500.000 US$. Wer Robbins einen Tag lang ganz für sich haben will, muss für die individuelle Buchung tief in die Tasche greifen rund 1.000.000 US$ auf den Tisch legen. Da wundert es nicht, dass sein Privatvermögen auf ca. 600 Millionen Dollar geschätzt wird.
„Entdecke den Sinn deines Lebens“ ist die Überschrift auf Robbins Website. Beim Greator Festival vom 28. – 29. Juli 2023 in Köln hingen die Besucher, die Tickets für seinen Vortrag gebucht hatten, wie Jünger an seinen Lippen. Charisma muss der Kerl ja wohl haben. Und das lässt er sich bei solchen Auftritten je nach Nähe zu ihm mit mehreren grünen Scheinen pro Person bezahlen. Noch einmal so viel on top löhnt derjenige, der ein Foto mit dem Meister mit nach Hause nehmen möchte. So zieht man den Leuten Geld aus der Tasche.
Ein anderes Beispiel für falsche Propheten ist der TikTok-Star Anthony Youn, seines Zeichens plastischer Chirurg aus Detroit/Michigan mit 8,3 Millionen Follower. Seine Botschaften wie “Two Minutes, 5 Years Younger” skin care routine, die er in einem Buch verbreitet, gehen viral unter seinen Social Media Follower. Seine Pflegeserie aus vier Produkten verkauft er auf Amazon, Listenpreis 256 US$ im Set. Das Buch dazu gibt es für 30 US$. Wer darauf hereinfällt, in 2 Minuten 5 Jahre jünger aussehen, hat seine Biologie-Hausaufgaben nicht gemacht. Doch offensichtlich versetzt der Glaube tatsächlich Berge. Aber lehrten die Apostel nicht folgendes: „Wer dich um Geld bittet, ist ein falscher Prophet. Du darfst nicht auf ihn hören.“ (aus dem Buch „Didache oder Apostellehre“)…
Prinzip Hoffnung
Auch wenn unser Kopf und das logische Denken uns raten, die Finger von etwas zu lassen, weil es einfach nicht funktionieren kann, wollen wir das nicht hören – obwohl uns dann in erster Linie einige Enttäuschungen erspart blieben. Doch wir wollen ihm glauben, dem falschen Propheten. Wir hoffen, mit seiner Hilfe ein (vermeintliche) Problem zu lösen. Denn wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Hoffnung ist laut Dr. Rolf Merkle, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut (verstorben 2019), ein Lebenselixier – genauso wie die Zuversicht. Hoffnung treibt uns an, etwas zu verändern. Ohne Hoffnung verlieren wir den Glauben, dass es eine positive Wende geben kann. Sie ist gepaart mit einer positiven Erwartungshaltung, ohne dass die Gewissheit besteht, dass das Gewünschte auch eintritt. „Hoffnung ist wie Sauerstoff, ohne sie können wir nicht leben“, sagte Merkle.
Ohne Hoffnung, keine Zukunft
Das ist zweifelsohne richtig. Doch die Hoffnung, die uns dazu verleitet, auf einen falschen Propheten zu hören, bringt uns nicht weiter. Einen solchen Menschen zu identifizieren setzt heutzutage allerdings viel Kenntnis, kritisches Urteilsvermögen und eigenständige Urteilsfähigkeit voraus. Und dazu gehören eine selbstbewusste Haltung und eine eigene Überzeugung.
In großen Dingen und bei Menschen gelingt mir das eigentlich ganz gut. Nur bei materiellen Belangen, beispielsweise dem Produkt, das mir eine positive Veränderung verspricht, von der ich weiß, dass sie realistisch besehen nicht eintreten kann, werde ich doch immer wieder mal schwach und möchte es ausprobieren…
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.