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Porzellan-Maler: Der Mann mit den Zauberhänden

Der Beruf ist selten geworden, aber die ihn ausüben sind wahre Künstler. Ulf Trittel, gelernter Porzellanmaler der Manufaktur Meissen, ist einer davon. Seine Arbeiten sind einzigartig, alles Unikate. Petra Springer nimmt bei ihm Unterricht und hat ihm für uns über die Schulter geschaut bei der Erschaffung eines einmaligen Kunstwerks.

Ulf ist ein stämmiger Mann mit kräftigen Händen. Sehe ich ihm beim Malen mit filigranem Pinsel zu, denke ich immer, wie schaffen es diese festen Hände, die feinste und zarteste Porzellanmal-Kunst hervorzubringen. Auf oft kleinster Fläche malt er kunstvolle Ornamente, Blumen, Tiere oder einfach alles, was seiner Vorstellungskraft entspringt. Oder, was sich der Kunde wünscht. Ulf hat zahlreiche Privatkunden, allesamt Porzellan-Liebhaber. Ganze Tee- und Kaffeeservices werden von ihm geschmückt. Viele seiner Werke gehen nach Japan. Zweimal im Jahr reist er selbst dorthin, um in Privathäusern betuchter Familien zu unterrichten. „Die Japaner haben für alles handwerkliche ein großes Faible. Insbesondere das Kunsthandwerk ist sehr hoch gestellt“, erzählt Ulf. Farbige Porzellanmalereien gab es in Japan bereits ab dem 14. Jahrhundert. Erst Ende des 18. Jahrhunderts kamen sie zu uns nach Europa. Die Bewunderung für seine Kunst ist dort also noch um einiges größer als hier. Japaner legen die von ihm bemalten Porzellanstücke auf schwarzen Samt, um sie anschließend in einen Rahmen zu packen und in Form eines Gemäldes an die Wand zu hängen. Früher gab es das auch hierzulande. Heute eher selten.

Malunterricht bei Ulf Trittel

Ulfs japanische Privatschüler stehen leise und ehrfürchtig im Kreis um ihn, wenn er demonstriert, wie man zum Beispiel einen Kolibri aufmalt. Die Kunstfertigkeit beginnt bereits beim Mischen der Farben. Die Farbpigmente werden mit einer Spachtel und ein paar Tropfen kostbarer Öle angerührt. Hierbei ist die Konsistenz der sich ergebenden Farbmasse wichtig. Die Zusammenstellung der Farben ist mir auch nach mehrmaligen Erklärungen noch immer ein Rätsel. Porzellanmalen ist eine Kunst für sich. Allein der Erfahrungsschatz jedes einzelnen Porzellanmalers birgt das Wissen um ein künstlerisch wertvolles und perfekt vollendetes Ergebnis. So hatte ich mir das im Unterricht nicht vorgestellt. Ich dachte, Porzellan zu bemalen wäre einfacher. Eine Kunst, die sicherlich auch ein Handwerk ist, wie jede Kunstform. Aber beim Porzellanmalen muss das Farbzusammenspiel, das Brennen und die Leuchtkraft nach dem Brennen bedacht werden. Jedes Werk ist also eine Komposition aus Wirkung im ersten Moment und vollkommener Expertise nach dem Brand. Jedes Werk ist ein Unikat. Da kann gerne mal ein Fehler passieren und aus einem kräftigen Rot wird plötzlich ein eher blasses Orange. Die Erfahrung ist hier ein wichtiger Schatz und ständiger Begleiter.

Im Internat der Porzellanmanufaktur Meissen

Erst nach Jahren lässt sich erkennen, was einen exzellenten Porzellanmaler ausmacht. Ulf ist einer von diesen. Er war Schüler der Manufaktur Meissen. Geboren 1961 in Brandenburg an der Havel, verbrachte er seine Kindheit in der Kreisstadt Belzig (heute Bad Belzig). „So lange ich denken kann habe ich gezeichnet, da musste mich niemand hindrängen. Das erste, was ich so richtig kopiert habe, war ein Van Gogh“, erzählt Ulf. „Mit sieben Jahren wusste ich noch gar nicht, wer das ist, und dachte mir, das kann ich. Die Farben hatten mich extrem angesprochen.“ Mit 17 Jahren ging er bereits an die wohl berühmteste Porzellanmanufaktur der Welt, besuchte das dazugehörige Internat in Meissen. Im ersten Lehrjahr wurde acht Stunden pro Tag gezeichnet. Naturstudien, Blumen, Stillleben, ausgestopfte Vögel, Portrait – und Landschaftszeichnen. Nach vier Jahren war er fertig ausgebildeter Porzellanmaler. Von 1984 bis1985 durchlief Ulf in Meissen eine Spezialausbildung zum Vogel- und Tiermaler. Im Dezember 1989 zog er in den Westen. In der Münchener Porzellanmanufaktur Nymphenburg übte er von 1990 bis 1993 künstlerisches Porzellanmalen aus. Heute arbeitet er hauptsächlich als Unikat-Maler und ist Dozent für Porzellanmalerei. „Zu mir kommen Leute mit speziellen Anliegen. Ich male im Auftrag. Den Lieblingshund, Portraits der Lieblingsblume und auch ab und an eine Schlossvase“, berichtete Ulf. „Alles, was aus meiner Hand kommt, ist ein Unikat. Das gibt es nicht zweimal.“ Seine Ausbildung in Meissen hat sicherlich den Grundstock für sein Können gelegt. Aber er hat ein gutes Auge, ein Gefühl für Licht im Zusammenspiel mit Farbkraft. Er schafft es, selbst kleinste Motive detailliert und kunstvoll aufzutragen. Das Ansetzen des Pinsels, der Schwung jeder einzelnen Linie, Auswahl und Kombination der Farben – hier tritt die individuelle Fertigkeit des Künstlers zutage.

Wie eine Schlossvase entsteht

Zur Zeit arbeitet Ulf an einer Schlossvase. So werden diese überdimensional großen Vasen mit ausladenden Goldhenkeln genannt. Eine Auftragsarbeit. 350 Stunden hat Ulf damit verbracht – nur die Malerei am Vasen-Hauptkörper gerechnet. Skizze und Farbprobe nicht dazu gezählt. Ich durfte ihn begleiten. Der erste Moment des Aufzeichnens mit Bleistift. Das zarte Aufmalen der ersten Blumenranken. Das vertiefen der Blumenmotive bis hin zur Entfaltung der vollen Farbpracht. Dann entsteht die Frauenfigur, ein Motiv aus dem Jugendstil, zentriert in der Mitte. Die feinen Farbabstufungen der Hauttöne sind besonders schwierig. Die weichen Farbnuancen müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein. Eine große Herausforderung für den Künstler, denn die Farben verändern sich – je nach Metallgehalt und Technik – nach dem Brennen. Der erste Brand war gemacht. Danach ging es in die „Tiefe“. Noch mehr Details und unterschiedlichste Farbschichten, um mehr Fernwirkung zu erzeugen. Der zweite Brand. Die Spannung stieg. Entsprechen die Farbkombinationen der Vorstellung in Ulfs Kopf? Eine starke Farbkraft entfaltete sich, so wie es sich der Künstler und der Kunde gewünscht hatten. Es ging weiter. Schicht um Schicht. Hier ein Pinselstrich, hier noch mehr Detailarbeit, um die Formen klar zu definieren. Vor dem vierten Brand wird die Malerei mit knallrotem Abdecklack zum Schutz überstrichen und der Vasenkörper komplett mit himmelblauer Farbe besprüht. Die Vase ist schwer, einen Meter hoch und hat fast 40 Kilogramm Gewicht. Sie lässt sich nicht einfach mal so hochheben. Der Meister bringt sie höchst persönlich zum Brennen. Nach monatelanger Arbeit aller Beteiligten ist die Schlossvase endlich fertig. Der Name ist verdient. Ein wahrhaft herrliches Stück – ein Prunkstück. Auf einen Sockel gestellt wird sie als einzigartiges Kunststück an einen Interessenten gehen. Verkauft für den stolzen Preis von zirka 35.000 Euro. Es gibt sie noch, die Sammler und Bewunderer dieser Kunst.

Fotos: Petra Springer

Porzellanmalerei

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