Nutricosmetics. Beautyfood zum Schlucken!
Wohin man schaut – Nahrungsergänzungsmittel. In Apotheken, Drogeriemärkten, Prestige-Läden und Luxus-Beauty-Shops boomen moderne Nutricosmetics. Sogar in Supermärkten sind die Regale voll damit. Große Kosmetik-Linien und kleine Doctor Brands haben ihre Pflegelinien längst um Beauty-Pillen, Pülverchen und Drinks erweitert. Doch die „Schönheit von innen“ ist oft nicht so harmlos wie sie dargestellt wird.
Karen Grant, Global Beauty Industry Analyst des US-Marktforschungsinstituts NPD Group, hat den Markt genau im Blick. Sie sagt: „Weltweit wird mit Beauty-Supplements ein Umsatz von 133 Milliarden US-Dollar gemacht.“ Die Deutschen gaben 2018 über zwei Milliarden Euro führ Nahrungsergänzungsmittel aus, Tendenz steigend. Einen Großteil davon machen Online-Versender aus. Gibt man beispielsweise auf dem Edel-Online-Portal Net-a-porter „Nahrungsergänzungsmittel“ ein, bekommt man nicht weniger als 94 Produkte gezeigt, die Schönheit zum Schlucken versprechen. Und wer hat nicht schon mal sein Magnesium oder Vitamin C online bestellt? Oder hat bei einem Posting auf Instagram auf „jetzt bestellen“ geklickt, wenn ein „Glow Inner Beauty Powder“ oder das „Ageless Beauty Vitamin“ angepriesen wurde.
Pille statt Creme
Untersuchungen nach sind es gerade die Millenials in Europa und Asien, die immer häufiger einen proaktiven Ansatz der Hautpflege wählen. Sie wenden sich ab von Mutters traditionellen Pflegeprodukten, besonders von Anti-Aging-Cremes und werfen lieber Pillen, Pulver, Shots und Tees ein für eine Overall-Wellness. Prominente Beautys tun das Ihrige dazu. So wirbt Heidi Klum für eine Tablette, dank der „Haut, Haare und Nägel so wunderbar wie nie sind“. Gwyneth Paltrow verkauft unter „Goop Wellness“ diverse Sticks und Gums für mehr Energie, einen klaren Kopf und Glow für die Haut. Ihr Pillen-Cocktail „The Mother Load“ für Frauen vor, während und nach der Schwangerschaft, ist allerdings bereits schwer unter Experten-Beschuss geraten. Laut WHO (World Health Organisation) sollen Schwangere keine Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, die Vitamin A enthalten, es könnte dem ungeborenen Kind schaden.
Oft zweifelhafte Benefits
Schaut man sich die Inhaltsstoffe auf den Packungen an, ist gegen die meisten erst mal nichts einzuwenden. Häufig sind es körpereigene Substanzen wie Kollagen und Hyaluronsäure, die für Straffheit von Haut und Bindegewebe sorgen und deren Produktion im Körper sich schon ab dem 20. Lebensjahr reduziert. Hinzu kommen meist Mineralstoffe, Spurenelemente wie Zink, verschiedene Vitamine und Anti-Oxidantien. In USA gibt es sogar schon Gummibärchen mit Hyaluronsäure und Kollagen. Wissenschaftler halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass oral aufgenommenes Kollagen die Magen-Darm-Passage unbeschadet übersteht und am Ende tatsächlich die Hautzellen erreicht. Wenig glaubhaft sind auch wissenschaftliche Studien, auf die Hersteller gerne verweisen. In der Regel hat die Firma sie selbst in Auftrag gegeben oder die Testgruppen sind so klein, dass das Ergebnis wenig repräsentativ ist. In einer Meta-Analyse werteten Forscher aus Baltimore die Daten von knapp einer Million Menschen aus 277 Einzelstudien aus. Untersucht wurden die Vitamine A bis D, Kalzium, Folsäure, Eisen und Fischöl – als Einzelsubstanz und in Kombinationspräparaten im Hinblick auf ihre gesundheitlichen Vorteile. Ihr Fazit: Die meisten der Ergänzungsmittel haben zwar keine schädliche Wirkung, aber die wenigsten verbessern die Gesundheit – und wenn, nur für spezielle Zielgruppen.
Keine Überdosierung!
Je größer die Versprechen auf der Verpackung, desto vorsichtiger sollte man sein. Einzelne Inhaltsstoffe haben sicher die verschiedensten klinischen Studien durchlaufen und sind erprobt. Doch was ist, wenn diese in einem Produkt kombiniert werden. Über deren Wirkung und Effektivität gibt es wahrscheinlich keinen weiteren Nachweis. Was man vermeiden sollte ist, wenn man schon ein kombiniertes Supplement schluckt, beispielsweise für Haut, Haare, Nägel, nicht zusätzlich noch Vitamine und Mineralstoffe einzunehmen. Gerade bei B-Vitaminen kann es bei einer Überdosierung zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Zu viel des Schwangeren-Vitamins B9 (Folsäure) beispielsweise kann zu Nervosität, Schlafproblemen oder Magen-Darm-Störungen führen. In Deutschland ist Folsäure übrigens das einzige Vitamin, bei dem laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung die empfohlene Tageszufuhr nicht erreicht wird. Sie empfiehlt daher eine folatreiche Ernährung mit viel grünem Gemüse und Hülsenfrüchten. Die Ernährungswissenschaftlerin Daniela Graf vom Max-Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, warnt davor, allzu sorglos Nahrungsergänzungsmittel zu konsumieren – ganz gleich, ob für gesunde Ernährung oder schöne Haut: „Ein Zuviel der Inhaltsstoffe kann zu negativen Wirkungen führen, insbesondere dann, wenn gleichzeitig Medikamente eingenommen werden.“ Sie bevorzugt frische Lebensmittel statt sie durch Pulver und Kapseln zu ersetzen, denn „viele belegte Wirkungen von Obst und Gemüse lassen sich nicht auf einzelne Substanzen zurückführen. Schon gar nicht auf die enthaltenen Vitamine oder Mineralstoffe“.
Weniger ist mehr
Das emfiehlt auch die englische Lifestyle- und Ernährungsexpertin Louise Parker. Ihr vertrauen viele Celebritys wie Emma Thompson. Sie war es auch, die die Duchess of Cambridge nach ihrer ersten Schwangerschaft schnell wieder in Bestfigurform gebracht hat. Sie sagt: „Straffen Sie Ihre tägliche Supplement-Routine.“ Parker bezweifelt, dass jemand täglich mehr als drei Nahrungsergänzungsmittel einnehmen sollte. „Vertrauenswürdige Hersteller von Supplements listen ihre Inhaltsstoffe auf, ohne große Versprechungen zu machen. Sie vertrauen auf die Expertise eines Arztes oder Ernährungsberaters, um ein geeignetes Produkt herauszufinden nach Überprüfung des individuellen Lifestyles und erfolgten Bluttests.“ Deshalb sollte man, bevor man all die verheißungsvollen Pillen shoppt, zuerst mit seinem Arzt oder Ernährungsexperten darüber sprechen und sich testen lassen, ob und was der Körper überhaupt braucht. Meine neueste Entdeckung bzw. die Empfehlung nach ausgiebigem Check-up durch meine Ärztin, sind Sirt-Kapseln. Sie enthalten pflanzliche Substanzen, die eine bestimmte Enzym-Gruppe im Körper aktivieren. Man nennt sie Sirtuine. Diese werden mit der Zellregeneration und dem menschlichen Alterungsprozess in Verbindung gebracht. Der Stoffwechsel kommt auf Trab und die Immunabwehr wird optimiert. Ich fühle mich gut damit!
Foto: shutterstock@carlo dapino
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CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.