Was haben Düfte und Männer gemeinsam- oft flüchtig!
Düfte und Männer. Wenn ich so darüber nachdenke, wie sich mein Duft- und Männer-Geschmack über die Jahre verändert hat, erkenne ich da gewisse Parallelen. Lasse ich die Parfums, die mich durch die verschiedenen Lebensabschnitte begleitet haben, heute Revue passieren, frage ich mich bei manchen: Wie konnte ich nur! Bei den Verflossenen ist es ähnlich. Andererseits habe ich mich in einer bestimmten Situation genau damit/mit ihm wohl gefühlt. Tatsächlich fing meine Liebe zum Duft schon ganz früh an.
Wildern in Mutters Rosengarten
Gerade mal vier Jahre jung war ich, als ich die Lust am Parfümieren entdeckte. Dafür plünderte ich den Rosengarten meiner Mutter und weichte die roten und rosafarbenen Blütenblätter in Wasser ein. Meine Mutter war allerdings – aus purer Liebe zu mir – auch die einzige, die meine „Duftwässer“ verwendete – oder zumindest tat sie so.
Mit acht war ich schwer verliebt in meinen attraktiven Vater. Dass er aus meiner Sicht meine Mutter mehr liebte als mich, schrieb ich einem quadratischen Zauber-Fläschchen zu, das sie in ihrer Frisier-Kommode verwahrte. Eines Abends, meine Eltern hatten gerade in großer Ballrobe das Haus verlassen, schlich ich mich in ihr Schlafzimmer und öffnete die Schublade, in dem der vermeintliche Schatz lag. Ich duftete mich vor dem großen Spiegel verschwenderisch ein – mit Chanel Nr. 5. Mit dem Erfolg, dass meine Kinderfrau mich anschließend in die Badewanne steckte und unsanft abschrubbte.
Der erste eigene Duft
Mit den Jahren nahm die Schwärmerei für meinen Vater ab und die für einen älteren Jungen aus dem Nachbar-Gymnasium zu. Ich war 13 und reif für mein erstes eigenes Parfum – davon war ich überzeugt. „Jil Sander Sun“ roch ich bei meiner besten Freundin, die echt cool war, etwas älter als ich und schon einen festen Freund hatte. Meine Patentante schenkte es mir zum Namenstag, nachdem ich nicht locker gelassen hatte. Ich fühlte mich damit total erwachsen, und doch war seine süßlich-weiche Note etwas, das mich mit meiner noch nicht ganz abgestreiften Kindheit verband.
Mit 17 traf ich meine erste große Liebe. Für immer und ewig sollte es sein. Welches Parfum hätte da besser gepasst als „Eternity“ von Calvin Klein. Meine Ewigkeit dauerte allerdings nur ein gutes Jahr. Mit dem Kerl verschwand dann auch alles andere, was mich an ihn erinnerte, aus meinem Badezimmer. Ab in den Müll mit „Eternity“. Von nun an ging es erst mal à la carte weiter – bei Männern und Düften. Aber wenn ich so nachdenke, passten beide „Lebensabschnittbegleiter“ immer irgendwie zusammen.
Das Elixir der Leidenschaft
Mit einem Gitarristen aus London fühlte ich mich so eins, dass ich mit ihm nicht nur die Liebe zur Musik teilte und die Vorliebe für grüne Parker, sondern auch für „ck one“, den ersten Unisex-Duft, den es damals überhaupt gab. Dann kam ein Schauspieler indischer Abstammung. Er war groß gewachsen mit glutschwarzen Augen und samtiger Haut. Wie selbstverständlich entdeckte ich „Obsession“ für mich, das Elixir einer Leidenschaft. Ich war verrückt nach ihm, und jeder von uns reiste meilenweit um den Globus, um den anderen zu treffen – manchmal nur für wenige Stunden.
Irgendwann folgte mein Inder dem Ruf nach Hollywood, während ich auf meine innere Stimme hörte und in der Heimat blieb. Doch von da an war ich den Orientalen treu – den Düften versteht sich. „Angel“ von Thierry Mugler habe ich geliebt, seit ich den massiven Sternflakon auf seiner Deutschland-Premiere zum ersten Mal in Händen hielt und den vanilligen Duft genüsslich einsog. Er erinnerte mich die Weihnachtsbäckerei meiner Nanny und rief in mir Gefühle kindlicher Geborgenheit wach. Unsere Beziehung überdauerte selbst meine erste Ehe. Noch heute, sagt mein Ex, könne er es nicht ertragen, wenn eine andere als ich diesen Duft trüge – wie er das wohl meint?
Nische statt Mainstream
Inzwischen habe ich mich der Nische verschrieben. Ich mag es einfach, wenn nicht jeder, der in meine Richtung schnuppert, gleich zu wissen meint „ach, du trägst doch….“ Meine neueste Duft-Liaison kommt aus Spanien und heißt „Megalium“ (Carner Barcelona), würzig-rauchig und dennoch weich-orientalisch.
Was nicht bedeutet, dass ich nicht doch ab und zu schwach werde, wenn ich all den schönen Verführern in kunstvollen Flaschen in meinem Badezimmer begegne. Da erwische ich mich dann manchmal, dass ich mit dem orientalisch-blumigen „Casablanca Lily“ von Byredo meinen Mann zum Jour fix treffe, mit „Pelárgonium“ von Aedes de Venustas ins Wochenende fahre oder mit „Sweet William“ (Warner Barcelona) ins Bett gehe. Aber am nächsten Tag greife ich in meine Handtasche und fühle, wie meine Finger einen schlichten kubischen Flakon umfassen – Megalium.
Das sagt die Wissenschaft
Meinem veränderten Ich wollte ich auf den Grund gehen und habe bei Psychologen und Wissenschaftlern recherchiert. Dass sich im Laufe des Lebens unsere Persönlichkeit bis zur Unkenntlichkeit verändert, ist in der längsten Langzeit-Persönlichkeitsstudie in „Psychology and Aging“ der American Psychological Association nachzulesen. Und zwar so stark, dass unser früheres Ich uns nicht mehr erkennen würde. Vielleicht würde ich heute die 17jährige Margit von damals noch nicht einmal mögen.
Die Kernaussage der Forscher lautete: Die ständige Zellerneuerung verändert nicht nur unser Aussehen, sondern auch unsere Persönlichkeit. Und damit auch den Geschmack. Hinzu kommt noch, dass das menschliche Gehirn derart leistungsfähig ist, dass mitunter negative Gedanken aufkommen, die längst vergangen schienen. Auf diese Weise kann ein Duft vergessen geglaubte Erinnerungen hervorrufen. Das Gedächtnis kann sogar alte „Lagerbestände“ nachträglich modifizieren, ein Ereignis in einem anderen Licht erscheinen lassen. Das Gehirn speichert nämlich Sacherinnerungen (Ort, Geschehen) und Emotionen an unterschiedlichen Stellen ab.
Der Gedächtnisinhalt lagert im Hippocampus und das Gefühl in der Amygdala. „Diese Plastizität der Verbindung zwischen Hippocampus und Amygdala spielt eine entscheidende Rolle für die emotionale Umbewertung unserer Erinnerungen“, sagt Senior-Autorin Susanna Tonegawa vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Vielleicht hast sich deshalb mein Duft- und Männergeschmack so drastisch verändert. Bevorzugte ich früher eher dunkelhaarige Südländer, ist mein heutiger Mann nordisch-blond und blauäugig.
Aufmacherfoto @IndiHerbst
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.