Den Haag muss sich nicht hinter Amsterdam verstecken
Den Haag stand schon lang auf meiner Wunschliste. Als ich in kleiner Runde von meinem bevorstehenden Städte-Trip nach Den Haag erzählte, riet mir ein holländischer Freund vehement davon ab. „Du wirst dich zu Tode langweilen“, sagte er. „Den Haag ist klein und spießig.“ Er kommt natürlich aus Amsterdam. Wie gut, dass ich nicht auf ihn gehört habe.
Im Anflug auf Den Haag. Zugegeben, die Anreise stimmte mich nicht gerade fröhlich. Flugverspätung mit Lufthansa schon ab München. In Amsterdam streikten dann die Züge, sodass ich von Schiphol nach Den Haag ein Taxi nehmen musste. 140 Euro. Mist!
Blick zum Arbeitsplatz des Königs
Dafür entschädigte mich bereits die Lage meines Hotels Royal Indigo. Royal weil es direkt gegenüber des Königspalastes liegt in der belebten und gemütlichen Fußgängerzone Noordeinde mitten im Stadtzentrum von Den Haag. Der Paleis Noordeinde aus dem 16. Jahrhundert ist seit 1831 der ständige Regierungssitz der Königlichen Familie.
Das Royal Indigo öffnete seine Türen im Jahre 1883, wurde mehrmals renoviert. Die Farbe Indigo zieht sich wie ein roter oder besser gesagt blauer Faden durch das modern eingerichtete Vier-Sterne-Haus. Seien es die Fensterläden an dem Gebäude, Bettrahmen, Türen, Möbel oder die alten Bank-Tresore, hinter denen sich Minibar, Kaffeemaschine und Safe verstecken. Eine Reminiszenz an die früher in dem Gebäude residierende Dutch National Bank. Die Gold-Bar im Untergeschoß war früher der Tresorraum. Heute werden dort leckere Drinks serviert.
Üppige Blumentapeten, erlesenes Dekor, wohin man schaut. Dabei ist nichts überladen im Royal Indigo. Es ist ein Ort purer Gemütlichkeit mit einem stimmig-fröhlichen Farbkonzept. Und immer wieder begegnet man dem Blick von Königin Beatrix – als Warhol-Pop-Art, als Foto, als Wandteller.
Bummeln in der Fußgängerzone
Verlässt man das Haus, steht man sofort in der Fußgängerzone. Sie erstreckt sich nach rechts und links mit hübschen kleinen Läden, Restaurants aller Nationalitäten, Cafés, Galerien. Vor vielen Läden laden Sitzgruppen und Sofas zum Verweilen ein. Ganz ohne Kaufzwang. Am Platz vor dem Königspalast wird mit voller Konzentration Schach gespielt.
Besonders angetan hat es mir The Bookstor mit Leseecken, Workstations, einem Grün umwucherten Gärtchen, in dem ebenfalls Schach gespielt wird – scheint hier ein Nationalsport zu sein. Der Kaffee schmeckt exzellent, und der Kuchen ist selbstgemacht. Natürlich kann man auch ausgewählte Bücher kaufen oder nach „Pre-Loved“-Exemplaren in einem riesigen Stoß stöbern.
Mit der Trambahn ans Meer
Den Haag ist keineswegs klein, wie mir mein Holländer-Freund weismachen wollte. Mit 562.416 Einwohnern ist es die drittgrößte Stadt der Niederlande. Außerdem befinden sich hier der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen, der im Friedenspalast (Vredespaleis) untergebracht ist, sowie der Internationale Strafgerichtshof.
Aber was Den Haag tatsächlich unschlagbar macht: Anders als Amsterdam liegt die Stadt am Meer. Die Küstenlinie an der Nordsee erstreckt sich über nicht weniger als 11 Kilometer mit breiten Sandstränden und wunderschönen Dünen-Gebieten.
Gleich zwei Seebäder gehören zur Stadt: das trubelige Scheveningen mit Riesenrad, Sea Life und Beach Restaurants und das beschaulichere Kijkduin mit seinem breiten, fast weißen Sandstrand. Zum Einkehren laden an beiden Orten kleine, hübsche Strandlokale ein. Um dort hinzukommen, braucht man noch nicht mal ein Auto. Mit Bus oder Trambahn gelangt man in wenigen Minuten vom Stadtzentrum ans Meer. Oder man leiht sich ein Fahrrad aus und bewegt sich auf den meist breiten Radwegen so fort wie es auch die meisten Einheimischen tun.
Kunstwerke, die es nur in Den Haag zu sehen gibt
Aber die Stadt hat auch in Sachen Kunst jede Menge zu bieten. Da wären das Mauritshuis, das Kunstmuseum Den Haag, Museum Voorlinden, Escher im Palast oder das Prison Gate Museum. Schon allein das Mauritshuis ist die Reise wert, weil hier das weltberühmte Vermeer-Bild „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ hängt.
Im Escher-Palais gibt es nicht nur die Kunstwerke von dem niederländischen grafischen Künstlers M. C. Escher (1898-1972) zu sehen, dessen optische Täuschungen immer wieder überraschen. Der Höhepunkt der Dauer-Ausstellung ist das sieben Meter lange Werk Metamorphose III., das die Verbindung von Ewigkeit und Unendlichkeit darstellen soll.
Ein Haus voll mit optischen Täuschungen
Auch das Haus selbst ist ein Schmuckstück mit seinen wilden Lampen-Designs des Rotterdamer Künstlers Hans van Bentem. Der frühere königliche Palast wurde von Königin-Mutter Emma (1858 – 1934) bis 1891 in der Wintersaison bewohnt. Nach Emmas Tod wurde das Gebäude der Arbeitspalast der Königinnen Wilhelmina, Juliana und Beatrix. Die Eröffnung des Museums fand am 16. November 2002 statt. Das Restaurant im Untergeschoss mit seinen alten Wand- und Bodenkacheln hat sich noch viel vom Charme der einstigen herrschaftlichen Küche bewahrt.
Es gibt noch weitere gute Gründe, um Den Haag zu besuchen: Die Stadt ist entspannt, weil sie nicht so von Touristen überlaufen ist wie Amsterdam. Man kann viele Wege zu Fuß erledigen, und die Hagenaars (Bewohner von Den Haag) sind überaus freundlich und hilfsbereit.
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.