Vivamayr – So modern fastet man heute
Jeder kennt den österreichischen Arzt Franz Xaver Mayr (1875-1965) oder zumindest sein Therapiekonzept zur Darmsanierung, das aus einer wochen- bis monatelangen Gabe von Milch und alten Semmeln bestand – und Kauen bis der Kiefer lahm wird. Manches ist geblieben, vieles hat sich geändert.
Warum ich fasten wollte?
Nach jedem Essen, egal wie wenig es auch war, hatte ich ein unangenehmes Gefühl im Bauch bis hin zu heftigem Druckschmerz. Nachts durchschlafen konnte ich selten länger als vier Stunden. Nachmittags gegen 17 Uhr war ich hundemüde und erschlagen. Das musste sich ändern. In so einer Lebensphase hatte ich schon mal gute Erfolge mit der F.X.Mayr-Kur, damals noch auf die harte Tour – Milch und Semmeln. Daher war ich besonders neugierig auf das neue Mayr-Konzept. Ich buchte mich bei Vivamayr am Wörthersee in Österreich ein. Dort werden neueste komplementärmedizinische Verfahren angewendet, um den Verdauungsapparat – schließlich unser zweites Gehirn – zu regenerieren und allen Stress hinter uns zu lassen. Ich habe es zehn Tage lang ausprobiert, habe (gourmetmäßig!) gefastet und entlastet.
1.Tag. Erst mal ankommen. Am Sonntagnachmittag erreiche ich nach fünfstündiger Autofahrt um 15:30 Uhr Maria Wörth. Die Privatklinik ist ein nicht zu großer Gebäudekomplex direkt am Wörthersee. Hell, freundlich, funktionell, sehr modern. So ist auch mein Zimmer mit Balkon und Seeblick. Ein türkisblauer Ohrensessel mit Hocker und ein orangefarbener Frühlingsstrauß (wie nett!) sorgen für Gemütlichkeit. Beim geführten Rundgang durch das Haus mit seinem riesigen Therapie- und Wellness-Angebot bekomme ich eine grobe Orientierung. Dann döse ich erstmal eine Stunde in meinem bequem breiten Bett. Um 18 Uhr bin ich der erste im Speisesaal, schließlich habe ich seit dem Frühstück nichts gegessen. Nur Kaffee in der Thermoskanne. Damit ist vorerst Schluss. Bei Vivamayr sind an Getränken nur Tees, energetisiertes Trinkwasser aus den Bergen, Bittersalz und Basenpulver angesagt. Eine freundliche Bedienung führt mich an meinen Einzeltisch. Hat übrigens jeder, der nicht in Begleitung kurt. Das Publikum ist international, im Moment 12 Nationen aus jeder Altersgruppe. Die Gesundheitsprobleme reichen von Essstörungen bis Abspecken. Ich bekomme eine Speisekarte gereicht. Zur Kerbelsuppe kann ich mir ein Brötchen und einen Aufstrich aussuchen. Es gibt Dinkel, Soja, Buchweizen und Gemüsechips. Ich wähle als Aufstrich die Gervais-Kräuterrolle. Schmeckt erstaunlich gut. Das Dinkelbrötchen (klein, aber fein) ist mein Trainingsgerät. Nach alter F.X.Mayr-Manier wird jeder Bissen so lange gekaut, bis man einen flüssigen Brei im Mund hat, erst dann wird geschluckt. Das Kau-Training ist wichtig, um den Darm zu entlasten und ihm seine Verdauungsarbeit zu erleichtern. Trotzdem bin ich nach 25 Minuten fertig, schnappe mir mein Bittersalz vom Tisch vor dem Restaurant für den nächsten Morgen, bereite mir noch einen Johanniskraut-Tee zu, den ich mit auf mein Zimmer nehme. Ab 21:30 Uhr Nachtruhe. Der Masterswitch neben dem Bett schaltet alles aus inklusive Internet – auch vom Elektrosmog wird gedetoxt.
2.Tag. Um 6:30 Uhr läutet mein Handy-Wecker für die erste von täglich vier Bittersalz-Rationen. Das Abführmittel aus Magnesiumcarbonat schmeckt scheußlich. Augen zu und durch. Für 8 Uhr steht die Anfangsuntersuchung bei meiner behandelnden Vivamayr-Ärztin Dr. Tanja Korak auf dem Plan. Gründliche Anamnese. Mein Fokus: Schlaf- und Bauchprobleme. Sie ist die erste Medizinerin, die einen Zusammenhang sieht zwischen einem schweren Mountainbike-Unfall in Kanada vor zehn Jahren und meinen Durchschlaf- und Darmproblemen. Sie ist auch die erste, die anbietet, meine alte Kaiserschnittnarbe zu entstören – mittels Anästhesiespritze. Neuraltherapie nennt sich das. „Narben behindern das Fließen der Energie“, erklärt Dr. Korak. Zur Diagnosefindung wird ein funktioneller Muskeltest nach den Kriterien der Applied Kinesiology durchgeführt. Auf diese Weise testet sie auch Allergien aus. Die Methode ist zwar von der Schulmedizin nicht anerkannt, ebenso wenig wie Homöopathie, hat aber trotzdem schon vielen geholfen. Ich finde es spannend zu beobachten, wie meine Muskulatur auf die verschiedenen Substanzen reagiert, die mir auf die Zunge geträufelt werden. Ich muss mein Knie gegen die Brust drücken, während die Ärztin dagegenhält. Schwächt das Mittel meinen Organismus, gibt meine Muskulatur sofort nach. Das Ergebnis: Unverträglichkeit von Hefe, Fruktose, Laktose und Gluten. Ein Candida albicans, Hefepilz, hat sich in einem Verdauungstrakt breiter gemacht als es ihm zusteht. Ich werde auf Candida-Diät gesetzt – sprich Trennkost – und bekomme eine ganze Liste an Terminen: Schlaflabor und jede Menge Behandlungen von Cryo bis Craniosacral. Nach dem Frühstück – handtellergroßer Sojafladen, dazu ein sehr leckerer Aufstrich – geht es zur Stoffwechselmessung. Ich atme vier Minuten mit Nasenklammer durch ein Mundstück. Das Ergebnis ist niederschmetternd: 0 % Fettverbrennung. Jetzt wird mir klar, warum sich trotz fünfmal Training pro Woche seit Monaten keine Veränderung an meinem Körper einstellt. Ich nehme zu wenig Sauerstoff auf, verbrenne Kohlenhydrate statt Fett. Das bedeutet, dass mein Stoffwechsel komplett durcheinander ist. Ich bekomme eine Sauerstofftherapie vorordnet, die mich bildlich gesprochen abwechselnd auf den Mount Everest und ans Meer schickt.
3.Tag. Ich spüre, dass mein Körper auf Hochtouren entgiftet. Bin matt und müde. Trotzdem schleppe ich mich zum Morgen-Yoga um 7:30 Uhr, anschließend Cryo in der Kältekammer: 1 Minute bei -30°, 3 Minuten bei -110°. In Unterwäsche mit Mütze, Handschuhen und Socken laufe ich unablässig im Kreis, um nicht einzufrieren. Ich zähle die Minuten. Aber hinterher fühle ich mich besser, angenehm erfrischt. Weiter geht’s zum Aqua-Spinning. Trainer Gabriel schlaucht mich ganz schön mit den Übungen, die ich während des Radelns mit den Armen machen muss. Um den Wasserwiderstand zu erhöhen, trage ich Handschuhe, die Entenfüssen gleichen. Das Ganzkörpertraining hat es in sich. Während der anschließenden Sauerstofftherapie kurz vor Mittag schlafe ich ein, so fertig bin ich. An die Maske auf dem Gesicht muss ich mich gewöhnen, aber ich denke an meine Fettverbrennung…Auch der Nachmittag ist ausgefüllt – mit entgiftendem Elektrolyse-Fußbad (das Wasser färbt sich tatsächlich braun!) und einer himmlischen Lymphdrainage. Das Schlaflabor steht mir auch noch bevor, um die Ursache für meinen schlechten Schlaf zu ergründen. Abends zum Schlafengehen lege ich es nach Anleitung an: Das Kästchen, das die Aufzeichnungen macht, trage ich an einem Band um den Hals, mit Brust- und Hüftgurt wird es am Körper fixiert. Auf meiner Stirn kleben Elektroden, in meinen Nasenlöchern steckt ein dünner Schlauch, an meinem linken Mittelfinger ist ein Sensor befestigt. Erinnert mich an die armen Affen im Versuchslabor. Ob ich so verkabelt überhaupt ein Auge zumache?
4.Tag. Nach der Nacht mit den vielen Kabeln wache ich nicht gerade ausgeruht auf. Ich belohne mich mit einer wundervollen Privat-Yoga-Stunde mit Mauricio inklusive Kapalabhati (Feueratmung) in der kalten Morgenluft auf dem Steg am See. Ein weiteres Highlight: Ganzkörpermoorpackung im Wasserbett. Mit einer heissen Moorpackung im Rücken und einem warmen Heusack auf der Leberregion schlafe ich schwebend im warmen Wasser sofort ein. Beim Duschen stelle ich erstaunt fest, dass sich mein Gewebe bereits straffer anfühlt, die Haut rosiger und glatter aussieht. Ein Zeichen, dass die Übersäuerung zurückgeht. Mittags wähle ich Surf&Turf aus Branzino und Garnele mit Curry-Gemüse. Kleine Portion, aber dafür gourmetmäßig. Abends gibt es Kartoffeln mit einem genial-guten Aufstrich (muss ich zu Hause nachmachen) aus Mozzarella, Pinienkernen, Steinsalz und Leinöl. Meine Candida-Diät engt mich etwas ein, statt Dinkel- oder Buchweizenfladen bekomme ich ausschließlich welche aus Soja oder Gemüse-Chips. Letztere schmecken zwar gut, sind aber mühsam zu kauen. An denen kann man das Mayr-Kauen so richtig gut üben.
5.Tag. Täglich geht es mir besser, ich bin fitter. Auch mein Bauch ist schon flacher, obwohl ich dreimal am Tag esse. Okay, die Portionen sind auch klein. Aber ich kaue jeden Bissen so gründlich, dass ich nach jeder Mahlzeit gut satt bin. Sollte mindestens 15 Minuten dauern, weil ab dann stellt sich erst das Sättigungsgefühl ein. Zum Essen ist Trinken nicht erlaubt, weil ansonsten die Verdauungssäfte verdünnt und die Verdauungsleistung reduziert würden. Öle gibt es dafür zu jedem Essen: Leinöl (abends), Walnussöl, Olivenöl und Senföl. Sie sind besonders wertvoll wegen der mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie Omega-3. Unter anderem versorgen sie wichtige Bestandteile der Zellmembran, sind notwendig zur Aufrechterhaltung bestimmter Gehirnfunktionen und verbessern die Immunreaktion. Also reinste Nervennahrung! Mein Treatment-Highlight heute: Craniosakral-Therapie. Es ist eine sanfte manuelle Behandlung mit minimalen Bewegungen, die man oft kaum spürt. Behandelt wird vom Schädel (alt.gr. Cranio) bis zum Kreuzbein (lat. Sacrum), basierend auf der Tatsache, dass der Kopf mit dem Kreuzbein über Bänder in Verbindung steht. Die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit, die im Schädel und der Wirbelsäule zirkuliert, dient als Indikator, um Blockaden aufzulösen. Mein Therapeut Michael ist zugleich Osteopath, stellt die Diagnose: Beckenschiefstand, Problem Halswirbelsäule, Kiefer. Ein Autounfall vor zwei Jahren hat wohl doch gravierendere Folgen hinterlassen als die Schulmediziner damals festgestellt hatten. Der Kiefer wird von innen behandelt – nicht ganz schmerzfrei, die Halswirbelsäule mit ganz kleinen Bewegungen mobilisiert. Und danach? Das schon gewohnte Knacken beim Drehen des Kopfes ist erstmal verschwunden. Auch das Becken wird eingerichtet. Als ich von der Liege aufstehe, fühle ich mich aufrechter und gerader. Heute habe ich auch das Ergebnis meines Schlaflabors bekommen: zu kurze REM- und Tiefschlafphasen. Gute Nachricht: keine Atemaussetzer. Meine beste Schlafseite: links. Das mache ich wohl automatisch richtig.
6.Tag. Muskel-Fit-Marathon! Vor dem 8 Uhr-Frühstück gibt es Morgen-Yoga zum Wachwerden. Bei der späteren Einzelstunde bekomme ich auf der Matte eine Thai-Yoga-Massage mit Dehnen, Schütteln, Drehen und Ziehen. Mauricio hat goldene Hände, erspürt die Probleme. Er hört zu, „was das Gewebe erzählt“. Bei mir von den Traumata nach dem Autocrash. Dabei legt er einfach die Finger ganz ruhig auf die Haut. Ich spüre, wie sich das Gewebe darunter eigenständig bewegt. Faszien- und Feldenkrais-Expertin Isabella erklärt mir am Nachmittag noch ein paar Übungen mit Ball und Rolle, um die Faszien an den Beinen und im Rücken zu „entkleben“. Bewegung ist ein wichtiger Bestandteil der Kur, denn auch sie sorgt dafür, dass die Verdauungsschritte optimal ablaufen können. Viel Sport und Bewegung machen mir nichts aus, ich mag es und bin es gewöhnt. Nur das frühe Aufstehen ist nicht so mein Ding. Jeden Morgen um 7.30 steht Yoga, Meridianaktivierung oder Wasser-Gymnastik auf dem Plan.
7.-9. Tag. Meine Tage sind extrem durchgetaktet. Ich will schließlich möglichst viel aus dem riesigen Therapieangebot ausprobieren, bei dem alles auf irgendeine Weise unserem zweiten Gehirn, dem Darm zugute kommt. Das enterische Nervensystem (ENS) das den gesamten Verdauungstrakt umgibt, ähnelt funktionell unserem Gehirn. Sie haben denselben embryonalen Ursprung, nutzen dieselben neuronalen Netzwerke und kommunizieren über dieselben Neurotransmitter. Wie eng die Psyche mit dem Darm verknüpft ist, erfahre ich beim Gespräch mit der Psychologin Birgit Bresnik. Darmbakterien sind offensichtlich mitverantwortlich für bestimmte Funktionen im Hirn und somit auch für psychische Störungen wie Depressionen und neurologische Erkrankungen. Sie sagt: „Wir müssen lernen, wieder auf unser Bauchgefühl zu hören, uns selbst zu spüren. Sich fragen: Was gibt mir Energie? Was macht mich glücklich?“ Ein interessantes Gespräch, dann die Praxis: Sie zeigt mir, wie sich mit der Klopftherapie alte Verhaltensmuster lösen lassen. Dabei werden durch rhythmisches Berühren bestimmte Meridianpunkte gereizt, um einen positiven Einfluss auf die Energiebahnen auszuüben. Um ein sehr altes Problem zu lösen, gibt sie mir eine Affirmation mit, die ich dazu verinnerlichen soll. Am Ende fordert sie mich auf, die Lebenskarten zu mischen und eine daraus zu ziehen. Diese besagt: Es ist vorbei! Passt doch! Aber eines ist klar: Emotionales Entgiften klappt nicht von heute auf morgen.
10. Tag. Auch heute an meinem Abreisetag gibt es wie an allen vergangenen Tagen noch mal eine 15-minütige manuelle Bauchmassage von meiner Ärztin. Sie unterstützt alle Verdauungsfunktionen und hilft bei der Entgiftung. Es hat sich viel verändert. Während sie am Anfang meinen Bauch nur ganz sanft massieren konnte, kommt sie inzwischen mit den Fingerspitzen viel tiefer in die Strukturen, ohne dass ich heftigen Druckschmerz verspüre. Mein Hefepilz ist natürlich noch nicht weg, deshalb soll ich meine Schonkost noch minimum 20 Tage zu Hause nach Plan fortsetzen. Mit 30 Sojafladen – eingeschweißt – aus Emanuelas Küche habe ich mich vorsorglich schon mal eingedeckt. Auf den Weg bekomme ich auch noch meine Ergebnisse mit: 3 Kilo weniger Gewicht und 62% mehr Sauerstoffaufnahme. Außerdem die fünf Vivamayr-Regeln: ordentlich kauen, ohne Stress essen, nichts dazu trinken, aufhören, wenn man satt ist und nicht zu spät essen. Wird gemacht! Aber ich bin sicher, dass ich wiederkomme. Schon allein wegen der wunderbaren Kreationen von Küchenchefin Emanuela Fischer. Das Essen war köstlich und abwechslungsreich. Ochsenbäckchen mit feinstem Gemüse. Rucola-Risotto, Wokgemüse mit Buchweizennudeln und Kokossauce. Wohlschmeckende vegetarische Aufstriche and und als Proteinportionen Büffel-Mozzarella, Fisch wie Lachs oder Saibling, Schafs- und Ziegenkäse – alles appetitlich fürs Auge zubereitet. Sämtliche Lebensmittel und Zutaten sind exakt darauf ausgerichtet, den Säure-Basen-Haushalt und damit den gesamten Stoffwechsel ins Gleichgewicht zu bringen. Weniger Säure, mehr Basizität. Und dabei nimmt man auch noch ab!
Fotos (8) @vivamayr.at, Rest @margitruediger
Darmsanierung, Detox, Entgiftung, Franz Xaver Mayr, Vivamayr
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.