Was bringt Hyaluronsäure in Cremes wirklich?
Egal ob Tagescreme, Serum oder Gel. In der Anti-Aging-Pflege wird Hyaluronsäure als DIE Wunderwaffe gefeiert. Sie soll die Haut aufpolstern, Falten glätten und Rauigkeit ausgleichen. Doch ist das viele Lob tatsächlich berechtigt?
Zumindest ist Hyaluronsäure, kurz HA, unserem Körper nicht fremd. Chemisch gesehen ist es ein Polysaccharid, also ein Vielfachzucker, und damit wichtiger Bestandteil verschiedenster Bindegewebsarten. Sie ist Hauptbestandteil unserer Gelenkflüssigkeit und schmiert die Gelenke. Der größte Anteil an HA, etwa 50 Prozent, lagert in der Haut. Ihre Aufgabe ist es, enorme Wassermengen zu binden – pro Gramm bis zu sechs Liter. Leider geht auch hier mit dem Alter die körpereigene Produktion zurück. Und das bereits ab dem 25. Lebensjahr. Mit 50 sind die Wasserspeicher nur noch halb gefüllt. Das macht sich äußerlich bemerkbar: Feine Linien und Fältchen, eingefallene Wangen, Krähenfüße oder eine Vertiefung der Nasolabialfalte sind klassische Anzeichen von Hyaluronsäuremangel. Wie elastisch die eigene Haut noch ist, der sogenannte Hautturgor, lässt sich ganz einfach selbst messen: Man hebt mit zwei Fingern eine Hautfalte an der Hand an und lässt sie wieder los. Je nach Feuchtigkeitsgehalt bleibt sie stehen oder legt sich elastisch wieder an. Knackende Gelenke deuten übrigens darauf hin, dass die Hyaluronsäure sich aus der Gelenkflüssigkeit verabschiedet.
Kettenreaktion
So einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt, lassen die leeren Speicher sich nicht füllen – und schon gar nicht von außen mit Creme. Ob und was diese bewirken kann, liegt vor allem an der Größe der HA-Moleküle. Das bestätigt auch Simone Presto, Ärztin und Expertin für die Eucerin-Serie HyaluronPlus: „Die langkettige (hochmolekulare) Hyaluronsäure ist ein sehr großes Molekül. Die bleibt auf der Haut liegen. Die mittelkettige dringt schon etwas tiefer ein, also in die oberflächlichen Hornhautschichten bis durch die Epidermis. Von den 12 Schichten der Epidermis erreicht man etwa die Mitte. Die kurzkettige (niedermolekulare) Hyaluronsäure kann in die Tiefe gehen.“ Aber auch hier gibt es ein Limit, räumt die Ärztin ein. Selbst die kleinsten HA-Moleküle können die Basalmembran nicht durchbrechen. Dies ist die unterste Lage der Oberhaut, wo ständig Zellen nachproduziert werden. Kein noch so innovatives Kosmetikum kann sie überlisten. Die kurzkettige Hyaluronsäure lagert sich dort ab und quillt regelrecht auf, weil sie Wasser aus dem Gewebe bindet. Auf diese Weise kann sie nicht nur dafür sorgen, dass Fältchen flacher werden, sondern auch dass die Zellkommunikation aufrecht erhalten wird. Letztendlich unterstützt sie die physiologischen Prozesse der Haut. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass genug Feuchtigkeit im Gewebe vorhanden ist. Das unterstreicht auch Simone Presto: „Schon deshalb ist es wichtig, dass man ausreichend trinkt. Ich muss der Haut schließlich auch von unten Feuchtigkeit bieten, die sie oben binden kann.“
Nerd-Wissen
Streng wissenschaftlich wird Hyaluronsäure seit einigen Jahren Hyaluronan genannt. Bis Ende der 90er wurde sie aus Hahnenkämmen extrahiert, heute wird sie mittels Fermentation aus Hefe oder Getreide gewonnen. Diese vegane Variante ist deutlich verträglicher. Gemessen wird die Molekülmasse in Dalton (kd steht für Kilodalton benannt nach dem englischen Naturforscher John Dalton, der sich mit der Atomtheorie beschäftigte). Hochmolekulare Hyaluronsäure hat 1.500 kD, mittelkettige 100 kD und kurzkettige 50 kD und weniger. Bei der Angabe von Inhaltsstoffen auf kosmetischen Produkten, der sogenannten INCI, heißen übrigens alle Varianten: Sodium Hyaluronate. Wer mehr darüber wissen will, was in seiner Creme steckt, sollte beim Hersteller weitere Informationen einholen. Hat ein Kosmetikprodukt zum Ziel, mehr als nur die Oberfläche zu befeuchten, müssen sowohl lang- als auch kurzkettige Moleküle in hoher Konzentration enthalten sein. Was kein Pflegeprodukt mit Hyaluronsäure erreicht, auch wenn die Industrie es gerne glauben machen möchte: Gesichtskonturen anheben, Lippen vergrößern oder tiefe Falten ausbügeln. Auch gezielt Volumen an einzelnen Gesichtspartien aufbauen, das schaffen nur Hyaluron-Injektionen beim Beauty-Doc. Sie können in tiefere Hautschichten vordringen und somit intensivere und langfristigere Effekte erzielen.
Dauerbetrieb
Soll ein Hyaluronsäure wirklich etwas bringen, muss man es dauerhaft anwenden. Simone Presto: „Hauteigene Enzyme, die Hyaluronidasen, bauen Hyaluronsäure ab. Bei einem Pflegeprodukt in der Regel innerhalb von 12 Stunden. Deswegen sollte man zweimal am Tag cremen, um den Effekt aufrechtzuerhalten.“ Bei einer schwachen Hautbarriere hilft auch das nur bedingt. Für eine langfristige Durchfeuchtung ist die Stärkung der Barriereschicht notwendig. Die äußerste Schicht der Epidermis, die sogenannte Hornschicht (Stratum corneum), bildet den eigentlichen Schutz der Haut gegenüber der Umwelt und verhindert übermäßigen Feuchtigkeitsverlust. Zu den wichtigsten Aktivstoffen, die die Barrierefunktion stärken, gehören Harnstoff, Vitamine und Ceramide.
Foto: @up_n_co
Anti-Aging-Pflege, Faltenglätter, Feuchtigkeitsbindung, Hyaluronsäure
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.