Warum ich lieber in Italien als in Deutschland lebe?
Italien ist seit vielen Jahren meine Herzensheimat. Hier fühle ich mich rundum wohl und bin in meinem Hier und Jetzt angekommen – auch wenn selbst im sonnigen Süden nicht immer alles Gold ist, was glänzt. Die Vorteile überwiegen.
Warum ich lieber in Italien lebe – sollte ich die Antwort auf einen Nenner bringen müssen. Es ist nicht das gute Essen, der unvergleichliche Geruch der Zitronenblüten oder die atemberaubenden Kulturstätten. Es ist ganz einfach: In Italien ist das Glas immer halb voll, in Deutschland immer halb leer. Es ist schlichtweg die Einstellung der Südländer zum Leben. Die ist positiv, was auch immer in Politik oder Wirtschaft an Negativem vor sich geht. Diese Einstellung wirkt sich natürlich auch auf das Miteinander aus.
Italien – freundliches Miteinander
Gehe ich in Italien in ein Geschäft oder ein Restaurant werde ich freundlich begrüßt mit einem come stai – wie geht es? – , wird häufig sogar noch von einem Kompliment begleitet – übrigens auch von Frauen. Man hilft sich gegenseitig, wenn jemand offensichtlich Hilfe braucht oder man von einer Notlage erfährt. Biege ich mit dem Auto mal falsch oder unerlaubt in eine Straße ab, ertönt hinter mir kein Hupkonzert wie in Deutschland. Wenn einer dich anhupt, dann ist das das Erkennen eines Bekannten und ein freundliches Begrüßen.
In Deutschland habe ich als Gast oder Kunde nicht selten das Gefühl, dem Personal lästig zu fallen oder gar zu stören. Selbst wenn ich mich mal in Italien zum journalistischen Store-Check in eine Luxus-Boutique verirre, werde ich zuvorkommend behandelt und höflich nach meinen Wünschen gefragt. Auch wenn keine Hermès Birkin 40 an meinem Arm baumelt.
In München ist es mir sowohl bei Chanel wie auch bei Yves Saint Laurent passiert, dass die Verkäuferin sich vornehmer gab als die Kundschaft. Anstatt einer Begrüßung wurde ich erst mal mit dem typisch-blasierten „kann die sich hier überhaupt etwas leisten“-Blick taxiert, obwohl ich weder mit zerrissenen Jeans noch mit abgelaufenen Schuhen den Laden betreten hatte. Solche Attitüde findet man in Italien nicht. Hier wird Service noch als das verstanden, was er eigentlich sein sollte: dem anderen zuvorkommend begegnen und ihm ein Gefühl vermitteln, dass er erwünscht ist und respektiert wird.
Fremdschämen für Deutsche im Italien-Urlaub
Ganz schlimm trifft es mich, wenn ich Durchschnittsdeutsche im Italien-Urlaub beobachte. Da ist zu oft Fremdschämen angesagt. Nur die Holländer sind fast noch auffälliger, wenn es um Geiz, Unhöflichkeit und Ignoranz gegenüber anderen Menschen, deren Sitten und Kultur geht. Nach der Weinprobe in der Bodega krallt man sich noch schnell die nicht geleerten Flaschen und lässt sie im Rucksack verschwinden. Das habe ich des öfteren selbst erlebt, zum Beispiel an einem meiner liebsten Plätze in der Toskana, der Fattoria La Vialla. Trinkgeld kommt im Wortschatz beider Nationen nur in den seltensten Fällen vor, „ist ja schließlich im Preis mit eingerechnet“ lautet die gängige Ausrede.
Auch in punkto Auftreten und Aussehen können die meisten der deutschen Frauen mit der Italienerin nicht mithalten. Wie würden Sie denn eine Italienerin beschreiben? Chic, sexy, temperamentvoll. Eine Deutsche würde man allenfalls mit den Attributen sauber, pünktlich, fleißig charakterisieren. Selbst wenn eine Italienerin von ihrem Mann betrogen wird, handelt sie stilvoll: Sie schmeißt mit dem besten Geschirr nach ihm, das sie gerade in die Finger kriegt. In einem deutschen Haushalt fliegt allenfalls die Tupperware aus der hinteren Schrankecke. Das gute Geschirr…
Nörgeln geht immer
Neulich war ich mit meinem Mann und unserem Hund Byron in der toskanischen, sehr schönen Osteria 4Lire zum Abendessen, die zu einem kleinen Agriturismo in unserer Nachbarschaft gehört. Paolo, der Besitzer, kennt uns und gab uns einen Tisch im ruhigeren Nebenraum, weil in dem Hauptraum, wie er mir erzählte, eine italienische Geburtstagsfeier stattfinden sollte. Und da geht es bekanntlich immer etwas lauter dazu, was mir eigentlich nichts ausmacht. Aber gut…
Also ab in den Nebenraum. Etwas weiter von uns entfernt saßen zwei Männer mit drei Kindern. Es dauerte nicht lange, dann kam einer der beiden zu uns an den Tisch und forderte mich auf Deutsch auf, ich solle meinen Hund vor der Türe anbinden, weil er einen ruhigen Abend verbringen möchte (mit drei kleinen bis halbwüchsigen Kindern !!!). Dabei hat mein Hund nichts gemacht und niemanden gestört. Es waren Deutsche und Österreicher natürlich. Wenn es nichts zu nörgeln gibt, sucht man sich halt etwas.
Ich bat Paolo dann um einen anderen Tisch. Er platzierte uns im Hauptraum bei der inzwischen eingetroffen Geburtstagsgesellschaft. Die fröhliche, italienische Runde nahm uns samt Byron freundlich auf. Freute sich, was für ein hübscher Hund er sei – che bello.
Tüchtig, aber unfreundlich
Klar kann man jetzt nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Und in jedem Land gibt es the good, the bad and the ugly. Aber bei uns überwiegen nur leider die Letzteren, vor allem, wenn man im Ausland auf sie trifft. Daran sollten wir Deutsche unbedingt arbeiten, wenn wir in einem anderen Land positiv wahrgenommen werden wollen.
Laut einer Umfrage von Reader‘s Digest sind die Italiener in Europa unangefochten am beliebtesten. Das wundert mich nicht. Deutsche mögen die wenigsten. Sie gelten als die als Unfreundlichsten, aber mit Abstand als die Tüchtigsten. Das sollte uns doch etwas zu denken geben …
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.