Eine Seefahrt, die ist lustig…
…eine Seefahrt, die ist schön, denn da kann man fremde Länder und noch manches andre sehn… So heißt es zumindest in dem Kinderlied. Wir befahren allerdings keinen See, oder zumindest nicht vorrangig, sondern die Havel, genauer gesagt die Ober-Havel in Brandenburg. In MacPom (Mecklenburg-Vorpommern) dürfen wir wegen Corona-Lockdown nur durchfahren, nicht ankern. Für mich ist das Ganze ein echtes Abenteuer, weil es das erste Mal ist, dass ich eine Woche lang auf engstem Raum Tag und Nacht auf einem Boot verbringe.
Wir hatten ohnehin ein Riesen-Glück mit unserer Urlaubs-Planung. Denn die bereits im Dezember letzten Jahres gebuchte Bootstour stand lange Zeit auf der Kippe. Erst wenige Tage bevor wir zu viert – meine Schwester und ich, jeweils mit Mann – am Freitag vor Pfingsten „in See“ stechen wollten, gab die Landesregierung Brandenburg das Go für die Charterschiffe und die Außen-Gastronomie. Alles mit negativem Corona-Test oder vollständiger Impfung und Maskenpflicht, versteht sich.
Ein nützlicher Wegbegleiter
Der Reiseführer „Obere Havel“* leistet mit Karten, Fotos, Tipps und kurzweiligen Geschichten gute Dienste, wenn man die Region zwischen der Havelquelle nahe Neustrelitz und der Grenze zu Berlin erkunden will. Vorgestellt werden z.B. Fürstenberg und seine Seen, Zehdenick und der Ziegeleipark Mildenberg sowie Oranienburg. 172 Seiten, 16,80 Euro
Auf See mit Hilde
Unsere „Hilde“, die im Alten Hafen Zehdenick nahe des Ziegelparks Mildenberg (sehenswert!) auf uns wartet, ist ein wirklich schönes Boot. British Racing Green mit einer umlaufenden dicken braunen Kordel, auf Hochglanz geputzt. Sieben Tage lang wird sie unser Zuhause sein. Für mich eine Herausforderung. Das „Leben“ auf dem Wasser bin ich vom Segeln gewöhnt, aber nur an Deck. Schon allein die Vorstellung, in einer engen, niedrigen Kajüte schlafen zu müssen, treibt mir Schweißperlen auf die Stirn. Ich bin ziemlich klaustrophobisch, und erinnere mich ungern an eine Nacht im Eishotel in Jukkasjärvi im schwedischen Lappland. Da konnte man sich auf dem Felllager kaum aufsetzen, ohne mit dem Kopf an die gewölbte Eisdecke zu stoßen. Mitten in der Nacht bin ich damals aus dem Iglu geflüchtet, um in einer der dazugehörigen Holzhütten Zuflucht zu suchen. Doch glücklicherweise gibt es hier auf dem Boot direkt über meinem Bett eine Luke. Die kann man aufstellen und sich dann auch gänzlich aufrichten, falls man sich nicht bereits vorher den Kopf angeschlagen hat. Was mir mehrmals passierte während dieser Seefahrt…
Zu viert auf engem Raum
Die Nächte an Bord waren für mich schließlich weniger schlimm als befürchtet. Dafür war es tagsüber an Deck und in den Häfen zum Proviantfassen und – wann immer möglich – beim Abendessen in einem Restaurant mit Außengastronomie sehr entspannt. Ab und an hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dann hieß es kochen in der engen Kombüse. Das und auch das anschließende Abspülen ist eher mühsam auf so engem Raum. Ich muss zugeben, mein Part an Bord während dieser Seefahrt war ohnehin der einfachste. Ich hatte vorwiegend „Innendienst“, während die Männer das Steuern und Navigieren übernahmen, und meine Schwester bereits vom letzten Bootstrip geübt routiniert das Schleusen und das Belegen am Hafen meisterte.
Von Mensch und Tier
Fremde Länder, wie es in dem Kinderlied über eine Seefahrt heißt, haben wir auch gesehen. Denn der Brandenburger ist menschlich gesehen von uns Bayern doch sehr weit entfernt. Und wir sind schon manchmal etwas mürrisch… Dafür ist die Landschaft umso freundlicher. Manche Flussabschnitte könnte man für den Amazonas halten, wäre der Fluss etwas breiter und die Vegetation etwas „tropischer“. Aber grünen Dschungel gibt es hier auch, und das Vogel-Gezwitscher gerade in den Morgenstunden ist äußerst musikalisch. In Ufernähe und im Wasser tummeln sich zu jeder Tageszeit allerhand Tiere – Fischreiher und die dazugehörigen Fische, Enten, Haubentaucher, Biber. Ein Wildpferd galoppiert auf einer Anhöhe am Fluß neben uns her und Rehe grasen friedlich auf den üppigen Wiesen.
Schiffergarn oder nicht?
„Manches andre…“ haben wir dann auf unserer Seefahrt doch gesehen. Die Frau vom Nachbarschiff, die morgens völlig unerschrocken nackt im eiskalten Fluß badete – so hat es meine Schwester zumindest erzählt, während ich noch in den Federn lag. Die bekifften Jugendlichen, die nahe unseres Ankerplatzes, mitternächtlich Raketen abschossen und nicht nur eine herumstreunende rote Katze in die Flucht schlugen. Im Hafen von Fürstenberg – ja, in Sichtnähe von dem ehemaligen KZ – mußten die Sanitäter anrücken, nachdem eine Frau von einem der Boote – etwas unelegant muss man sagen – auf den Steg gesprungen war, um dort zu vertäuen und dabei so unglücklich aufkam, dass sie sich das Kreuzband gerissen hat. Und in jedem Hafen machten wir Bekanntschaft mit einem ortsansässigen Schwanenpaar, meist mit Nachwuchs, das bis an den Steg kam, um zu betteln. Wenn es ihnen mit dem Futter nicht schnell genug ging, fauchten sie böse und schnappten auch schon mal nach einem unbeschuhten Zeh.
Duschen, nur wenn es sein muss
An was ich mich garantiert nicht gewöhnen kann, ist das Hygiene-Verhalten an Bord. Deshalb mag ich auch keinen Camping- oder Wohnwagen-Urlaub. Das Waschen in der Nasszelle – Zelle trifft es genau – entspricht nicht meinen Vorstellungen von Körper-Reinigung. Duschen – so sagte zumindest die forsche Hafenmeisterin bei der Bootsübergabe in Zehdenick – sollte man eher nicht und es wäre auch innerhalb einer Woche gar nicht nötig. Wer es doch versucht, macht dem Wort Nasszelle alle Ehre. Ist diese erstmal unter Wasser gesetzt, muss man sie „absaugen“, und dann ist sie immer noch für Stunden rundherum feucht. Von Haarewaschen wollen wir erst gar nicht sprechen. Und die Duschkabinen in den Häfen sind corona-bedingt immer noch gesperrt. Aber ich erinnere mich an einen Trekking-Urlaub im Hoggar-Gebirge im Süden von Algerien, da konnte man fast zehn Tage lang kein fließendes Wasser auf dem Körper spüren. Trotzdem haben wird danach offensichtlich nicht so unangenehm gerochen, dass man uns den Einlass in die Oase von Tamanrasset verwehrt hätte. Dennoch wird meine erste Amtshandlung, wenn wir wieder zu Hause sind, ein ausgiebiges Vollbad sein.
* Das ist ein Partnerlink. Sie bezahlen nicht mehr, sondern machen unserem Team eine kleine Freude. Danke!
CultureAndCream-Autorin aus München
Beruflich als Beauty-Journalistin zu reisen, war mir nicht genug. Sechs Monate Weltreise haben auch nicht gereicht. Immer wieder zieht es mich in andere Städte, fremde Länder, zu Roadtrips und an Locations, die man kennenlernen sollte. Mich interessieren nicht nur „culture“ und „cream“, sondern auch Menschen, die Geschichten zu erzählen haben. Auf solche Reisen möchte ich euch mitnehmen.